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DR. WATSON exklusiv:
Ingrid Keller, Adipositas-Expertin der Weltgesundheitsorganisation, über die weltweite Epidemie des Übergewichts
Machen Supermärkte dick?
Wenn immer mehr Menschen in Städten leben, werden sie immer dicker. Sie bewegen sich weniger und essen nicht mehr das, was im Garten wächst oder auf dem Markt angeboten wird, sondern kaufen im Supermarkt. Und das führt zu mehr Speck auf den Rippen, sagt Ingrid Keller, Übergewichtsexpertin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), im DR.WATSON-Interview.
WHO-Expertin Ingrid Keller mit DR.WATSON-Redakteur Hans-Ulrich Grimm in einem Genfer Hotel

WHO-Expertin Ingrid Keller mit DR.WATSON-Redakteur Hans-Ulrich Grimm in einem Genfer Hotel
© Maike Ehrlichmann
DR. WATSON: Frau Keller, ist Dicksein heute schlimmer als der Hunger in der Welt?

Keller: Ich wäre sehr vorsichtig, das als schlimmer zu bezeichnen. Tatsächlich gibt es mittlerweile mehr übergewichtige als unterernährte Menschen auf der Welt, eine Milliarde gegenüber 852 Millionen. Das heißt natürlich nicht, dass wir uns jetzt nicht mehr um die Unterernährten kümmern. Aber es ist wichtig zu zeigen, dass Überernährung zunehmend ein Problem ist, auch in den Entwicklungsländern. Und dass Übergewicht kein Privileg der Reichen ist. Gerade in den Städten der Entwicklungsländer werden immer mehr arme Leute immer dicker.

DR. WATSON: Was machen die Städter falsch?

Keller: Die bewegen sich weniger während der Arbeit, und die Ernährungsgewohnheiten sind schlechter. Auf dem Land kann man oft das essen, was im Garten wächst, naturgemäß häufig Obst und Gemüse. In der Stadt hingegen sind die billigen Kalorien Fett und Zucker, also weißes Brot oder frittierte Sachen und zuckerhaltige Soft Drinks.

DR: WATSON: Das wächst natürlich nicht im Garten.

Keller: Die Leute in den Städten kaufen, wie bei uns, zunehmend im Supermarkt.

DR. WATSON: Der Supermarkt macht dick?

Keller: Es gibt natürlich keinen direkten Zusammenhang zwischen Supermarkt und Übergewicht. Aber man sieht neue Tendenzen, wie Lebensmittel vermarktet und eingekauft werden. Der Hygienestandard ist sehr gut. Das Preis-Leistungsverhältnis ist sehr gut, aber in den Supermärkte werden oft sehr viel verarbeitete Lebensmittel angeboten Fertiggerichte.

DR. WATSON: Der Supermarkt führt dazu, dass sich die Leute anders ernähren?

Keller: Ja sicher. Die Supermärkte sind meistens außerhalb der Stadt, man fährt mit dem Auto hin, lädt das Auto voll und fährt wieder zurück. Man geht also nicht mehr zum Metzger und zur Blumenfrau und zum Obst- und Gemüseladen. Es ist nicht das Einkaufengehen zu Fuß mit dem Einkaufskorb und das Schleppen. Das kommt also auch dazu, dass es weniger Bewegung ist.

DR. WATSON: Aber es gäbe im Supermarkt auch Gesundes zu kaufen.

Keller: Ja. Aber was ist billig im Supermarkt? Das sind meistens kalorienreiche und nährstoffarme Produkte. Das kaufen die Leute. Immerhin gibt es mittlerweile Supermärkte, die bei der 5-am-Tag-Kampagne mitmachen, also propagieren, 5 mal am Tag Obst und Gemüse essen. So wird auch im Supermarkt dann wieder mehr Obst und Gemüse verkauft.

DR. WATSON: Es geht also nicht nur um das falsche Ernährungsverhalten der Leute, sondern auch um das Angebot, das dick macht oder dünn?

Keller: Auch das Catering gehört auch dazu, also Restaurants und Kantinen. Überall wo Leute Lebensmittel einkaufen oder verzehren, muss angesetzt werden. In der EU gibt es ja die Plattform für Ernährung und Bewegung, da sitzen auch die Vertreter der Supermärkte mit drin. Denn die spielen ja eine ganz wichtige Rolle. Was da wo und wie angeboten wird, was auf welchem Regal steht. Es gibt ja diese typische Quängelware vor der Kasse, in Kindesaugenhöhe. Muss das sein? Warum sind nicht das Obst und Gemüse so präsentiert, dass man das eben schnell noch mitnehmen kann?

DR. WATSON: Frau Keller, Sie sind selber rank und schlank. Sind das die Gene?

Keller: Das ist wahrscheinlich ein Zusammenspiel von allem. Gene gut, viel Bewegung.

DR. WATSON: Und nichts essen? Nicht in den Supermarkt gehen?

Keller: Auch in den Supermarkt gehen, aber zu den richtigen Regalen gehen im Supermarkt. Auch Schokolade essen, aber in Maßen und die Schokolade essen, die mindestens 70 Prozent Kakao hat.

DR. WATSON: Die lieben wir auch.
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