Mit scharfen Augen baggert es sich besser, verspricht jedenfalls der Pharmariese DSM und versorgt die deutschen Beach-Volleyballerinnen Sara Goller und Laura Ludwig mit Stärkungsmitteln aus den Firmenlabors. Auch holländische Segler bekommen die Produkte. FloraGLO® und OPTISHARP® sollen das Sehvermögen stärken, verspricht der Konzern, der auch das Vitamin-Business der Pionierfirma Hoffmann-LaRoche übernommen hat.
Sara Goller und Laura Ludwig zeigten sich laut DSM-Mitteilung erfreut über die verschärfte Sicht durch „die neuen DSM-Zusätze“: Das sei „sehr wichtig in einem Sport wie dem unseren, bei dem man die meiste Zeit in sehr hellem Sonnenlicht spielt.“
Die sogenannten Carotinoide Lutein und Zeaxanthin sollen die „visuelle Performance“ verbessern, verkündet Rob van Leen, der „Chief Innovation Officer“ der Firma Holländer.
Die innovationsfreudigen Flachlandbewohner zählen offenbar derlei Chemieerzeugnisse zur „Ernährung“, so jedenfalls Maurits Hendriks, Chef de Mission of the Olympic Team Netherlands, das offizielle Kontakte mit der Chemiekonzern pflegt: „Gute Ernährung ist essentiell für die Fitness der Athleten am Start, und kann den Unterschied zwischen Sieg oder Niederlage ausmachen. Deshalb freut sich das Holländische Olympiateam sehr, in Partnerschaft mit DSM unseren Athleten zur bestmöglichen Performance zu verhelfen.“
Ein schöner Marketing-Erfolg für die holländischen Pillendreher. Doch möglicherweise geht der Schuss auch nach hinten los.
Denn die chemische Aufrüstung kann leicht ins Gegenteil umschlagen: In großen wissenschaftlichen Studien stellte sich heraus, dass ein Zuviel an solchen Carotinoiden schädliche Wirkungen entfalten und sogar krebsfördernd sein kann – jedenfalls dann, wenn diese sogenannten Antioxidantien losgelöst von der eigentlichen Nahrung aufgenommen werden.
Forscher um Michael Ristow, Professor für Humanernährung und Ernährungsmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, fanden heraus, dass der Gesundheitseffekt des Sports durch Extra-Vitamine sehr schön zunichte gemacht werden kann. Just die Effekte, die der Sport für die Gesundheit bringt, werden durch die Pillen neutralisiert.
In ihrer Studie zeigten sie an etwa 40 jungen Männern, dass künstlich verabreichtes Vitamin C und E sowohl den durch Bewegung hervorgerufenen körpereigenen antioxidativen Schutz als auch die blutzuckerstabilisierenden Effekte wieder rückgängig machen kann.
Akute Gesundheitsschäden sind bei den DSM-verstärkten Sportlern in London natürlich nicht zu befürchten: Ihre „Performance“ muss ja glücklicherweise nur kurzfristig verbessert werden.
Doch die Olympioniken dienen dem holländischen Pharmariesen auch als Versuchskaninchen, für eine Untersuchung der Wirkung von hohen Dosen Vitamin D auf die Leistung der Athleten. Das Vitamin gilt als Knochenstabilisator und soll auch eine Rolle im Muskelaufbau spielen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung propagiert es, in immer höheren Dosen,
40 Eier täglich müssten die Sportler essen, um optimal ihren Vitamin-D-Bedarf zu decken, schreibt DSM in der dazugehörigen Pressemeldung. 40 Eier isst natürlich kein Mensch - aus gutem Grund.
Denn zu viel Vitamin D kann auch Schaden anrichten.
Eine Untersuchung der renommierten Cochrane-Collaboration vom vorigen Jahr hatte ergeben, dass große Mengen Vitamin D auch unerwünschte Nebenwirkungen haben können: „Hypercalcämie“, Verkalkung.
Keine Überdosierung ist möglich, wenn sich der Körper auf die natürliche Art damit versorgt: er kann Vitamin D ganz einfach selbst produzieren, mit Hilfe der Sonne, über die Haut.
Pünktlich zur Olympiade erging in London auch eine ausdrückliche Warnung an Hobbysportler, die auf Extra-Power durch Pülverchen hoffen. Britanniens zuständige Behörde für Medizin und Gesundheitsprodukte (Medicine and Health Care Products Regulatory Agency MHRA) monierte "gefährliche Zusätze" in 84 Produkten: Nahrungsergänzungsmittel für Leistungsverbesserung und Muskelaufbau enthielten häufig illegale Substanzen, oft Steroide oder andere hormonwirksame Substanzen und könnten vor allem Nierenstörungen, Lebersschäden oder Herzprobleme hervorrufen.
Mehr über Gesundheitsnahrung aus dem Chemielabor:
Hans-Ulrich Grimm
Vom Verzehr wird abgeraten.
Wie uns die Industrie mit Gesundheitsnahrung krank macht
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Ein interaktives Lexikon zu den Wirkungen von sogenannten Gesundheitsstoffen findet sich hier.