Der Verdacht, dass künstliche Süßstoffe dick machen, steht schon seit längerem im Raum. Schließlich werden sie in der Agrarindustrie gezielt als Masthilfsmittel eingesetzt. Und auch bei den Menschen haben sich die Hoffnungen auf Verschlankung durch die chemischen Süßungsmittel zumeist nicht erfüllt. Bisher war allerdings nicht bekannt, wie der Mast-Effekt durch die Süßstoffe erzielt wird.
Das wollten Forscher der Universität Rio Grande do Sul in Porto Alegre, einer Universitätsstadt im äußersten Süden Brasiliens, jetzt herausfinden. Für ihre im Fachjournal "Appetite" veröffentlichte Studie haben sie daher ihre Versuchsratten mit unterschiedlich gesüßtem Joghurt gefüttert – und sie dafür auch noch in enge Behausungen gesteckt, und zwar in Einzelkäfige, damit sie nicht durch exzessive Sportaktivitäten die Effekte verzerrten.
Die 29 männlichen Tiere erhielten an fünf Tagen pro Woche 20 Milliliter Joghurt, gesüßt entweder mit 20 Prozent Zucker oder Süßstoffen, 0,3 Prozent Saccharin oder 0,4 Prozent Aspartam. Das süße Futter gab es für die kleinen Nager zusätzlich zu frei gewählten Mengen an normalem Ratten-Futter und Wasser. Gemessen wurde: Gewichtszunahme, gesamte Kalorienaufnahme, Kalorien vom Joghurt und Kalorien vom Trockenfutter.
Um möglichst aussagekräftige Daten zu bekommen, haben die Wissenschaftler diejenigen Ratten von der Auswertung ausgeschlossen, die nicht mehr als 70 Prozent des Joghurts fressen wollten. Des weiteren wurden Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Lichtverhältnisse strikt geregelt.
Nach 12 Wochen zeigte sich: diejenigen Ratten, die Aspartam oder Saccharin im Futter hatten, legten mehr an Gewicht zu, als jene, die sich zuckergesüßten Joghurt schmecken ließen. Und es wurde deutlich: Mehr Kalorien hatten die dickeren Ratten nicht gefressen. Schlussfolgerung der Forscher: Eine durch Saccharin verursachter Anstieg der Menge an Insulin im Blut, eine sogenannte Hyperinsulinämie, könnte die Gewichtszunahme ausgelöst haben. Oder aber die Süßstoffe haben direkt den Energieumsatz gesenkt. Darauf deutete auch die niedrigere Körpertemperatur jener Ratten hin.
Es scheint, als würde der Körper gut unterscheiden können zwischen echtem Essen und energieleeren Stoffen. In vorherigen Studien zeigten das unter anderem Terry Davidson und Susan Swithers, zwei Psychologen der Purdue Universität im amerikanischen West Lafayette. Die Forscher fanden heraus, dass den Ratten nach echtem Essen wärmer wurde, nach Süßstoffverzehr blieb dieser Effekt aus.
Die neuen Erkenntnisse könnten den ohnehin angekratzten Ruf der künstlichen Süßstoffe weiter beschädigen. Nach einer Umfrage des britischen Forschungsinstituts Leatherhead leidet sogar der neue Süßstoff aus der Stevia-Pflanze schon unter Vertrauensschwund bei den Verbrauchern. Wegen ihres pflanzlichen Ursprungs hatte diese neue Süße mit der E-Nummer 960 ein recht natürliches und gesundes Image. Nachdem stetig mehr gesundheitliche Risiken durch kalorienleere Kunstsüßer wie Aspartam und Saccharin bekannt wurden, Verbraucher ihnen gegenüber immer skeptischer wurden, hoffte die Lebensmittelindustrie in dem neuen Süßstoff die perfekte Lösung gefunden zu haben.
Doch nach einer Leatherhead-Studie wollen nur drei Prozent der Konsumenten mehr Stevia in den Produkten – aber neun Prozent weniger davon.