Weltweit werden im Jahr unglaubliche 165 Millionen Tonnen Zucker konsumiert – was einer Güterwaggonkette entspricht, die zweimal um die Erde reicht. Die Deutschen essen 36 Kilo Zucker im Jahr. Viele schlucken Zucker, ohne es zu wollen, versteckt als Konservierungsstoff in Industrienahrung.
Nur knapp 17 Prozent des Zuckers, den die Deutschen verspeisen, kaufen sie selbst im Laden. 83,1 Prozent verzehren sie als zugesetzten, häufig auch „versteckten Zucker“. In den Corn Flakes zum Frühstück. In den Gewürzgurken. Sogar die ganz normalen Sachen enthalten plötzlich Zucker, die Dose mit Maggi Ravioli, die Pfanni Semmelknödel, die Hühnersuppe von Knorr.
Kriitiker sehen den Zucker als Teil einer „giftigen Umgebung“, die den Menschen abhängig macht. Für eine wachsende Zahl von Menschen ist er kein Freudenspender mehr, sondern ein Suchtmittel, das sie beherrscht. Schon gilt der Zucker als „Volksdroge“. Und er wirkt im Gehirn nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen tatsächlich wie ein Suchtmittel.
Das Gehirn reagiert auf den süßen Geschmack besonders sensibel, damit der Mensch schnell zugreift. Die süßen Früchte gab es auf dieser Welt ja ganz selten, früher. Heute aber wird das Angebot immer zuckerreicher – und bietet immer weniger Alternativen, weltweit. Selbst in der Südsee ist es heute einfacher, eine Cola zu bekommen als eine Kokosnuss.
Das Gesunde ist weit weg, nah aber die süße Droge. Sogar an der Kasse in der Tankstelle. Wo die Süßigkeiten gleich neben dem Jägermeister liegen. Auch am Flughafen, direkt am Gate, stehen die Cola-Automaten. In der S-Bahn-Haltestelle. Sogar im Kiosk im Kinderkrankenhaus, Cola, Fanta, Eiscreme.
Auch die Staaten dieser Welt fördern den Zucker schon seit Jahrhunderten. Überall auf der Welt ist die Zuckerbranche verwöhnt worden mit günstigen Gesetzen, Garantiepreisen, und Exportsubventionen. Europas Zuckerindustrie macht Milliardenumsätze, allein Branchenführer Südzucker kommt auf sieben Milliarden Euro, und profitiert jetzt, in Zeiten liberalisierter Agrarmärkte, von den preisgünstigen Produktionsbedingungen etwa auf den Zuckerrohrfeldern Südamerikas.
Die Politik und die Parteien stehen dabei stets auf der Seite der Produzenten. In Deutschland stehen CDU und FDP traditionell den Zuckerbauern nahe, SPD und Gewerkschaften den Beschäftigten der Zuckerfabriken.
Die zuckerproduzierenden Staaten unterhalten sogar eine eigene internationale Einrichtung zur Zuckerförderung, die Internationale Zuckerorganisation (ISO) mit Sitz in London, mit 86 Mitgliedsstaaten, darunter alle 27 EU-Länder, und auch die Schweiz.
Sie mobilisiert die Zuckernationen, um Maßnahmen und Empfehlungen zu verhindern, die der Zuckerwirtschaft schaden könnten, wenn etwa die Weltgesundheitsorganisation sich aufmacht, die neuen Menschheitsgeißeln zu bekämpfen, die in der internationalen Sprache der Experten als „Nicht übertragbare Krankheiten“ bezeichnet werden („Non Communicable Diseases“, kurz NCD), und die schon mehr Todesopfer fordern sollen als alle bisherigen Katastrophen, Seuchen, ja sogar Kriege: 35 Millionen Menschen jedes Jahr.
Dabei wird immer deutlicher, dass meist der Zucker im Spiel ist. Weil er dick macht, auch das Risiko für Herzkrankheiten erhöht: Je mehr Zucker verzehrt wird, desto schlechter sind überraschenderweise die Cholesterinwerte. Bei Diabetes, der Zuckerkrankheit, ist es der Zucker im Blut, der verantwortlich ist, auch für die vielen Folgekrankheiten, die damit einhergehen. Bei der Alzheimerkrankheit sprechen Forscher schon von der „Zuckerkrankheit des Gehirns“. Und bei Krebszellen haben Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Los Angeles sogar eine eigene Schnittstelle für raffinierten Zucker gefunden.
Die Zucker-Mafia: Seit Jahrzehnten hat die Zucker-Lobby die Politik im Griff. Der Verkauf wird gefördert, die Nebenwirkungen werden verharmlost, mit freundlicher Unterstützung von Staat und Wissenschaft.
Hans-Ulrich Grimms neues Buch macht erstmals den Zusammenhang von staatlicher Zuckerförderung und Volkskrankheiten öffentlich. Er zeigt die globalen Verflechtungen auf, er berichtet über die Leiden der Opfer, die Interessen im Hintergrund und die Auswege aus der Zuckerfalle.
Hans-Ulrich Grimm
Garantiert gesundheitsgefährdend. Wie uns die Zuckermafia krank macht.
Droemer Verlag 304 S. € 18,00
ISBN: 978-3-426-27588-7