Sie wollen den Übermenschen schaffen, die Laufzeit verlängern, mit der Maschinerie verbinden, technisch optimieren, oder auch biochemisch.
Hannes, der auch zu den Stars der Biohacker-Szene gehört, hängt deshalb schon am Tropf, und geht so auch auf die Bühne, den Infusions-Ständer wie aus dem Krankenhaus hat er dabei, eine grünlich-gelbe Flüssigkeit wird direkt per Schlauch in seine Armbeuge geleitet. Hannes Sjoblad ist der Typ idealer Schwiegersohn, heute trägt er Ringel-T-Shirt, und moderiert den „Biohacker-Summit“.
„Wie viele von Euch sind implantiert?“ fragt er gleich in die Runde. Er hat so ein Implantat, einen Chip unter der Haut, der den Menschen passwortgesteuert direkt mit der Maschinerie verbindet, und auch mit den anderen Implantierten. Das ist so eine Art digitale Geselligkeit, bei der gleich schon mal die Daten übertragen werden können. Blutwerte, Herzfrequenz, so Sachen. Viele sind aber noch nicht so mutig, die eigenen Intimwerte ganz offen durch die Gegend zu tragen. Drei, vier Leute im Saal hier strecken. „Vielleicht eine Handvoll“, sagt Hannes.
Dann kommt Teemu dazu. „Was ist mit Deinem Arm los?“ Fragt er seinen Freund Hannes.
„Ich will gesünder werden“, sagt Hannes.
Biologie trifft Technologie. Es gibt da einiges an Neuigkeiten. High-Tech zur Hirn-Stimulation ganz nach Wunsch, zum Beispiel, „digitaler Kaffee, digitaler Alkohol, digitales Marihuana“, schwärmt der Referent, ein Investor aus dem Silicon Valley. Auch Ängste lassen sich so beseitigen, durch eine Art elektrischer Stimmungsmanipulation. Und wenn was kaputtgeht am Körper, wird einfach ein Ersatzteil angeschlossen. „Human Augmentation“ heißt das. Augmentation, das bedeutet so viel wie: Vergrößerung. Der Mensch wird jetzt größer, sein eigener Schöpfer, sozusagen.
Das gilt für die Biohacker-Community erst recht. Das hier ist die größte Biohackerkonferenz Europas. Jedes Jahr verdoppeln sich die Teilnehmerzahlen. Unten der Vortragssaal, mit den beiden großen Screens, der Bühne, hinten die Techniker, die auch die Musik aufbrausen lassen nach jedem Vortrag, mal Michael Jackson, vor der Mittagspause ein Halleluja von Händel, nachmittags dann auch mal Sexmachine von James Brown.
Da ging es um „Biohacking der Genital-Zone für Langlebigkeit und Gesundheit“. Wie das? Mit dem passenden Stuhl, der in der Mitte der betreffenden Region mehr Freiheit und Durchlüftung verschafft. Auch dafür machen sie hier Werbung, die Firma hat einen Stand bei der Industrieausstellung, eine Etage höher.
Epicenter heißt der Veranstaltungsort mitten in Stockholm, ein paar Minuten vom Bahnhof. Epizentrum, das ist bekanntlich der Ort, von dem ein Beben ausgeht. Das hier ist so etwas wie ein Zentrum für Innovations-Events.
Eine Etage über dem Vortragssaal gibt es die Arbeits-Cafeteria, mit großen Schreibtischen, Sesseln auf Rollen, und einen großen Außenbereich, im Innenhof des dreieckigen Gebäudes, überwölbt von einem gläsernen Dach, eine schicke Terrasse mit Lounge-Ecke, Sofas und Sesseln, großen Zimmerpflanzen, und der Industrie-Ausstellung. Überall Leute mit Laptops an den Tischen, und Smartphones, an den Ständen der Industrie interessiert in Gespräche vertieft.
Da gibt es Angebote für Gen-Tests, Darm-Analysen, Blutuntersuchungen, und viele Tüten und Packungen und Gläser mit ultragesunden Sachen, Pillen, Pulver. Auch den Beutel für die Infusionen, den Hannes vorführt.
Teemu steht grade an seinem Stand, wo es sein „Biohacker-Handbuch“ zu kaufen gibt und Packungen mit getrockneten pulversierten Pilzen. „Mushroom Coffee“, zum Beispiel, der auch an die Biohackergemeinde hier ausgeschenkt wird.
Er erklärt einem Kunden, wie die wirken. „Das sind Pilze, die auf Bäumen wachsen. Die konzentrieren die medizinischen Eigenschaften der Bäume. Die haben keine Jahreszeiten, die wachsen das ganze Jahr über, und haben eine viel komplexere Biochemie. Außerdem sind viele Stoffe drin, die die Darmbakterien modulieren. Und das Immunsystem stärken, weil mehr Makrophagen produziert werden.“
Nimmt er das denn alles? Und lässt er auch alles analysieren? Eben in seinem Vortrag hatte er vom „Quantifizierten Selbst“ gesprochen, der „Selbsterkenntnis durch Zahlen.“ Und den Sponsoren gedankt, die die zugehörigen Tests und Optimierungs-Kits anbieten.
DR. WATSON „Kennen Sie denn Ihre Darmbakterien alle persönlich mit Namen?“
Teemu Arina: „Ich habe Gentests machen lassen. Ich habe die Darmbakterien analysieren lassen. Ich habe das Blut untersuchen lassen...“
DR. WATSON: „Wie viele Daten haben Sie da jetzt? 500, 1000? Eine Million?“
Teemu Arina: „Ich weiß die exakte Zahl nicht. Ich habe jetzt so um die 120 Biomarker. Leber, Herz. Blutwerte.“
DR. WATSON: „Sie wissen also alles über Ihre genetischen Risiken, beispielsweise für Demenz..“
Teemu Arina: “Ich weiß, wo ich ein erhöhtes Risiko habe. Oder ein geringeres Risiko.“
DR. WATSON: „Sind Sie da jetzt besorgt oder nicht? Sie sehen ja noch ziemlich gesund aus?“
Teemu Arina: „Ja nun...“
DR. WATSON: „Wie alt sind Sie?“
Teemu Arina: „35. Und ich sehe aus wie..., 16, oder?
DR. WATSON: „Klar.“
Teemu Arina: “Also, man kann wirklich was machen gegen das Altern. Das eine sind die genetischen Faktoren, das andere sind die Lebensstil-Parameter.“
DR. WATSON: „Kennen Sie denn jetzt schon den Tag, an dem Sie sterben werden?“
Teemu Arina: “Ich wünschte, ich könnte mir das aussuchen. Aber mir kommt es vor allem darauf an dass ich ein gesundes Leben führe. Ich will nicht das ewige Leben. Mir kommt es darauf an, dass mein Körper und mein Geist so lange wie möglich gut funktionieren. Und wenn das nachlässt, kann ich damit auch leben. Aber das will ich eben so gut wie möglich beeinflussen, durch die Wahl meines Lebensstils.“
DR. WATSON: „Und was haben Sie für einen Lebensstil gewählt? Nehmen Sie Supplemente, diese ganzen Pillen hier?“
Teemu Arina: “Ich nehme Supplemente nur, wenn es Sinn macht. Ich nehme also keine Multivitamine, wie das viele machen. Ich nehme Vitamin D, weil ich von einem genetischen Risiko weiß. Weil meine Vitamin-D-Level niedriger sind als bei der allgemeinen Bevölkerung, nehme ich da eine erhöhte Dosis im Winter.“
DR. WATSON: „Nur im Winter?“
Teemu Arina: “Im Sommer scheint die Sonne, warum sollte ich da Vitamin D nehmen?“
DR. WATSON: „Pflegen Sie eine bestimmte Diät, Paläo, wie in der Steinzeit, oder Keto, mehr Fett, weniger Kohlenhydrate?“
Teemu Arina: “Ich habe da eher so eine Mischung aus allem, so nach der Art der Vorfahren, zum Beispiel Milch und Fleisch von grasgefütterten Rindern.“
DR. WATSON: „Die normalen Sachen aus dem Supermarkt essen Sie nicht?“
Teemu Arina: „Warum sollte ich? Nehmen Sie doch mal Kopfsalat. Das ist doch nichts als teures Wasser. Da haben Sie in einer Hand voll Brennesseln mehr Nährstoffe als in der ganzen Plastiktüte voll Kopfsalat.“
DR. WATSON: „Was gehört denn noch zur traditionell finnischen Ernährungsform?“
Teemu Arina: „Blaubeeren natürlich.“
DR. WATSON: „Das einzige Obst, das da wächst, oder?“
Teemu Arina: „Waldgemüse auch noch. Rüben, alles, was aus der Region kommt. Wenn ich mir anschaue, was es in der Gegend gibt, aus der meine Vorfahren kommen, und wenn die aus Sibirien kommen und der nördlichen Hemisphäre, dann gab es da nicht so viel Obst. Deshalb esse ich nicht so viel Obst. Dafür habe ich mehr Beeren, die überall wachsen, und ich esse viele wilde Kräuter, auch Brennnesseln, und Löwenzahn, das wächst ja überall.“
Manchmal klingt Science Fiction fast wie eine Tatsachen-Saga aus der Tundra.
Wenn nur die Infusionen nicht wären und der Chip unter der Haut.