Rentner Alfers wohnt in einem Mehrfamilienhaus in der nordrhein-westfälischen 11000-Einwohner-Gemeinde Anholt-Isselburg, eine halbe Autostunde nordwestlich des Ruhrgebiets. Er leidet unter schuppiger, entzündeter Haut und führt das auf das verseuchte Wasser zurück. Die Familien in einem benachbarten Wohnblock klagen über Hautausschläge, häufig auch Durchfälle.
Schuld sind, so vermuten die Betroffenen, die großen, fassförmigen Behälter in ihren Kellern, die das Wasser verändern. Die Anlagen Marke "Tiptal" sorgen dafür, dass eine dünne Aluminiumschicht auf die Rohre aufgetragen wird und diese so vor Korrosion geschützt werden. Damit können alte, verdreckte Leitungssysteme weiter betrieben werden, auch wenn eigentlich längst neue Rohre fällig wären. Der Vorteil: Es ist für die Hausbesitzer biliger. Der Nachteil: Was aus dem Rohr kommt, ist mitunter eine trübe Brühe, mit Schadstoffen belastet.
Wie bei der Rentnerfamilie Alfers: Untersuchungen des Tübinger Instituts Prof. Dr. Jäger im Auftrag von DR. WATSON ergaben gravierende Grenzwertüberschreitungen. Vom Schwermetall Mangan waren 0,10 Milligramm im Wasser - das Doppelte des Grenzwertes von 0,05 Milligramm pro Liter. Bei Aluminium waren es 1,21 Milligramm pro Liter - das Sechsfache des Grenzwertes von 0,2 Milligramm. Bei Eisen war es das 77fache (15,4 statt 0,2). Und auch die Trübung der Brühe ist messbar: Der Trübungs-Wert liegt bei 62 - der Grenzwert: 1.
"Das ist kein Trinkwasser", sagt Instituts-Chef Prof. Dr. Walter Jäger gegenüber DR. WATSON.
Eigentlich dürfte so eine Flüssigkeit gar nicht aus dem Hahn kommen. Eigentlich müssten die Bewohner dieser Häuser mit sauberem Trinkwasser aus Tankwagen versorgt werden, jedenfalls in einem vermeintlich ordentlichen Land wie Deutschland. Eigentlich müssten die Anlagen, die als Grund für die Verseuchung des Trinkwassers gelten, sofort stillgelegt werden. Eigentlich müssten die Verantwortlichen wegen Brunnenvergiftens ins Gefängnis. Denkt der Laie.
Doch all dies geschieht mit Wissen der Behörden. Das Umweltbundesamt (UBA) hat das Verfahren sogar genehmigt, jedenfalls mit der Maßgabe, dass die Trinkwasserverordnung eingehalten wird. Die Aluminiumwerte in den betroffenen Gebäuden etwa sollen maximal 0,2 Milligramm pro Liter betragen, so das UBA in einer befristeten Ausnahmegenehmigung, die bis Ende 2007 gilt.
Doch auch diese Höchstgrenze wird häufig überschritten. Das ergaben sogar offizielle Untersuchungen, schon vor Jahren. Im Steigenberger Hotel Fürst Leopold im sachsen-anhaltinischen Dessau beispielsweise, im St. Elisabeth Krankenhaus im bayrischen Straubing, und in der Firmenzentrale der Stuttgarter Straßenbahnen in der Schockenriedstraße im Stadtteil Möhringen.
Im Steigenberger Hotel lag die Belastung in Zimmer 313 bei 1,2 Milligramm - immerhin das Sechsfache des Grenzwertes. In Zimmer 527 waren es bis zu 2,99 Milligramm. Im Straubinger St.-Elisabeth-Krankenhaus war das Wasser mit bis zu 2,41 Milligramm belastet, gemessen in der Putzkammer auf Station 26 im 2. Obergeschoss. Auch in der Küche wurden die Grenzwerte überschritten, um mehr als das Dreifache. In der Küche der Stuttgarter Straßenbahnen lag die Belastung bei 2,18 Milligramm, in der Hauptgarderobe lag der Wert bei bis zu 3,11 Milligramm, im Meisterbüro der Elektrowerkstatt bei 3,58 Milligramm.
Eigentlich müssten die Anlagen längst abgeschaltet werden, meint der nordrhein-westfälische Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Eckhart Uhlenberg. Eine "Duldung", so der Minister in seiner Antwort auf eine Landtagsanfrage, käme nur dann "in Betracht", wenn "durch eine engmaschige Überwachung durch akkreditierte Labore" sichergestellt wird, dass das Trinkwasser mit nicht mehr als 0,2 Milligramm Aluminium pro Liter belastet ist.
Nun, immerhin, will das Umweltbundesamt erst einmal erheben, wie viele Anlagen in Betrieb sind. Gegenüber DR. WATSON sagte Professor Ulrich Müller-Wegener, Leiter der Trinkwasserabteilung beim Umweltbundesamt: "Wir machen da jetzt eine Umfrage." Antworten der zuständigen Landebehörden erwartet er "im Frühjahr".
Nach bisherigen Erkenntnissen des Amtes seien bundesweit 3000 Anlagen im Betrieb - häufig in Mehrfamilienhäusern, öffentlichen Einrichtungen, Krankenhäusern.
Die nordrhein-westfälischen Behörden wollen jetzt die Sache erneut überprüfen. Tankwagen mit sauberem Trinkwasser werden einstweilen allerdings noch nicht anrücken.
Die Herstellerfirma Guldager aus Duisburg mochte sich im Detail nicht zu den Vorwürfen der Betroffenen äußern: "Es gibt ein schwebendes Verfahren", so Prokurist Christoph Gies gegenüber DR. WATSON. Die Firma hält ihre Anlagen aber generell für sicher.