Der Pan Xi Großmarkt liegt im Nordwesten der Stadt, 45 Autominuten von der City. Auf einer Fläche von der Größe mehrerer Fußballfelder wird gehandelt. Im Zentrum des Geschehens: Obst und Gemüse. Lastwagen fahren hupend ein und aus, Lastenträger schleppe Körbe. Palaver, Zigarettenrauchen. Hunderte von Tonnen frischer Früchte werden jeden Tag umgeschlagen. Drei solcher Großmärkte gibt es in Chongqing, der Stadt in der Nähe der Drei Schluchten, wo demnächst der Riesen-Staudamm anlaufen soll.
Chongqing: Ein Moloch, eine Megalopolis wird sie genannt, die Stadt mit 35 Millionen Einwohnern auf der Fläche Österreichs. Sie gilt, nach Stadtgebiet, als größte Stadt der Welt. Die Kernstadt hat 6 Millionen Einwohner. Wolkenkratzer, Autobahnen, ein Gewirr von Brücken und Straßen auf Stelzen, in tropischer Hitze. Alte Männer zeigen nackte Bäuche, schöne Chinesinnen mit Sonnenschrirm versuchen, die Straße zu überqueren.
Solche Megastädte, haben sie mir einmal bei Nestlé in der Weltzentrale am Genfer See gesagt, könne man nur mit Methoden der modernen Food-Industrie ernähren. Mit Konservierungsstoffen haltbar gemacht, transportabel, sicher. Anders ginge es nicht, schon von der Logistik her. Im Jahr 2050 soll die Hälfte der Menschheit in Megacities leben. So gesehen, gehört Nestlé die Zukunft.
Die Logistik haben sie hier im Großmarkt in Chongqing ganz gut im Griff. Vielleicht 50, oft 100 Lastwagen stehen unter dem riesigen Wellblechdach. Berge von Zwiebeln, Gebinde mit Gurken, Körbe voller Staudensellerie. Es riecht frisch, manchmal scharf, manchmal süß, jetzt gerade nach Blumenkohl.
In China hat irgendetwas immer Saison. Hier in Chongqing sind es im Winter die Orangen. Die Früchte im Großmarkt sind daher, jetzt im Sommer, von anderswo angereist. Die Trauben waren 48 Stunden unterwegs, 2000 Kilometer. Die Kiwis zwei Tage und eine Nacht. Die Pfirsiche ein paar Stunden, sie wuchsen 360 Kilometer von hier.
Am Rand kleine Läden, sie verkaufen Zigaretten, Notizblöcke, Getränke. Eine Filiale der Chinesischen Landwirtschaftsbank. Hinten in der Ecke ein umfangreiches Lager für die Körbe, sie stapeln sich bis unters Wellblechdach.
Ein großer Truck lädt Blumenkohl und Staudensellerie ab. Wie viel passt da drauf? 25 Tonnen, sagt Herr Zhang aus der Provinz Lan Zho. Er sitzt an der Waage mit wichtigem Gesicht. Ihm gehört der Lastwagen. Wie lang er unterwegs war? "Sechs Stunden", sagt Herr Zhang.
Der kleine Lieferwagen von Frau Lin hat es nicht so weit, er muss nur in die Stadt, zu einer Schule, dem You Dian College. Die haben eine Mensa, da wird frisch gekocht. Natürlich. Wir sind ja in China.
In Chongqing wird überall frisch gekocht. In den kleinen Garküchen an den Straßen kann sogar jeder zusehen. Überall gibt es kleine Läden, Märkte. Chinesen sind große Kulinariker. Und wenn auch weltweit für ihre Fälschungen berühmt sind: beim Essen zuhause haben sie es gern echt.
Die Zukunft der Nahrung? Ich würde sagen: In der größten Stadt der Welt gewinnt bis jetzt die Natur. Nestlé und die anderen Food-Giganten müssen sich noch gedulden.