Der Weiher der Familie Wei ist nur zu Fuß zu erreichen. Ein kleines Stück von der Straße. Wir gehen über einen schmalen Weg, kleine Stege, durch Bambuswäldchen, vorbei an Bananenstauden.
Familie Wei lebt auf der ländlichen Seite von Chongqing, der Riesenstadt mit 35 Millionen Einwohnern, die sich allerdings auf einer Fläche von der Größe Österreichs verteilen. Es sieht auch ein bisschen aus wie Österreich, mit mehr Leuten, aber weniger Österreichern, natürlich. Die Kernstadt mit ihren sechs Millionen Einwohnern ist dennoch riesig, es gibt auch noch ein paar weitere Millionenstädte, Vororte sozusagen, aber dazwischen gibt es auch viel Landschaft.
Wie hier, eine Autostunde außerhalb der City.
Es ist eine dörfliche Gegend , kleine Häuser, größere Villen, ein 7er-BMW davor. Leute sitzen im Schatten und schwatzen. Ein Dorfzentrum mit einem kleinen Markt, dort gibt es Obst und Gemüse und alles, was man auf dem Land so braucht, Klamotten, Ventilatoren, Töpfe, Wokpfannen. Und Lao Bai Gan, den scharfen Reisschnaps.
Ein chinesisches Land-Idyll, allerdings führt eine kleine Autobahn hindurch, und ab und zu brettern knallgelbe Laster über die Landstraße, laut hupend.
Familie Wei wohnt in einer kleinen Ansiedlung, ihre Nachbarn in Rufweite entfernt. Kleine Gehöfte, ohne Parkplatz, man kommt ja mit dem Auto nicht hin. Jedes hat einen kleinen Vorplatz, worin ein Hund gähnt oder eine Katze sich streckt.
Einer der Bauern hat zwei kleine Ferkel und eine Muttersau, ein anderer hat Hühner, die staksen frei im Bambushain herum. Die Nachbarn der Familie Wei haben einen kleinen Orangengarten, dazwischen watscheln ein Dutzend kleine Enten herum, mit gelbem Flaum, und schnattern wild, wenn es Wasser gibt oder Reis, trocken und ungeschält.
Ein Idyll mit fröhlichen Menschen und glücklichen Tieren, fast trugbildhaft schön. Dochdoch, so ist die chinesische Landwirtschaft, beteuert die ortskundige Führerin. Nur wenn die Tiere so aufgezogen werden, schmecke auch das Fleisch gut.
Die Chinesen sind bekanntlich Feinschmecker.
Die Enten flüchten allerdings sofort, wenn sie mit mir aufs Foto sollen. Die ortskundige Führerin schlägt die Methode Photoshop vor, das Computerprogramm, mit dem Bilder beliebig manipuliert werden können. Die Chinesen sind bekanntlich auf der Höhe der Zeit. Ich lehne entschieden ab.
Es gibt, räumt die ortskundige Führerin ein, allerdings auch andere Formen der Landwirtschaft in Chna. Schon ein Stück weiter an der Straße ist ein Gehege, in dem ein paar hundert junge Enten leben, auf geflochtenen Matten, einen halben Meter über dem Boden wie auf Tischen, unter offenem Dach.
Und es soll auch Tierfabriken geben, räumt die ortskundige Führerin ein. Aber das Fleisch von dort aufgezogenen Tieren tauge nichts und schmecke schlecht.
Aha. Tierfabriken. Es ginge wohl auch kaum anders. Immerhin exportiert China ja auch riesige Mengen Geflügelfleisch nach Europa. Und das kann wohl kaum alles von idyllischen Bauernhöfen stammen.
Dann exportieren sie die schlechtschmeckende Quälware zu uns und behalten selbst die feineren Viecher? Dann wäre der kleine Bauernhof doch ein Modell, wenn kleine Bauern ein Milliardenvolk mit feinem Geflügel versorgen können?
Vielleicht liegt sie hier, die Zukunft der Nahrung, bei den kleinen Bauern wie der Familie Wei und ihren Nachbarn?
Alles sehen, nichts glauben, so lautet der oberste Journalisten-Grundsatz. Die Frage ist noch offen, was typisch ist für China und wo die Zukunft der Nahrung liegt. Die Suche geht weiter.