Chemie im Essen kann Ihre Gesundheit gefährden
 
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DR. WATSON News:
Brotsuppe statt 5-Minuten-Terrine / Die Ignoranz der Behörden
Wie viel Chemie essen wir eigentlich?
Es war ein älterer Herr, der nach den Zusatzstoffen im Essen fragte, und nach ihrer Rolle als Dickmacher. Die Antworten stellten ihn nicht ganz zufrieden. Es war bei einem internationalen Kongress in Karlsruhe, der gestern begann. Thema: die Ernährungsgewohnheiten der Menschen. Sie werden derzeit von Regierungen und Aufsichtsbehörden mit gigantischen Aufwand erforscht. Die Absicht ist klar: Es geht um die Gründe für die massenhafte Ausbreitung von Übergewicht und milliardenteuren Krankheiten. Unklar ist, warum die Chemikalien im Essen dabei hartnäckig ignoriert werden.

Der ältere Herr mit grauem Haar und osteuropäischem Akzent fragte nach, ob denn auch untersucht worden war, wie viel Glutamat die Leute heute verzehren. Schließlich ginge es um Übergewicht, sagte der Herr, und da spiele der sogenannte Geschmacksverstärker eine wichtige Rolle, wie eine Untersuchung der Universität von North Carolina kürzlich ergeben hatte. (DR. WATSON NEWS vom 3. Mai 2008).

Der Herr namens Lucjian Szponar kam aus Polen, von der staatlichen Lebensmittelüberwachung in Warschau, und war offenbar der einzige auf dem Kongress, der sich für die moderne Industrienahrung aus dem Supermarkt und ihre Rolle als Dickmacher interessierte.

Der Kongress am Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, das neuerdings als Max Rubner-Institut firmiert, beschäftigt sich bis morgen mit den Verzehrsgewohnheiten der Menschen. In verschiedenen europäischen Länder gab es dazu Untersuchungen, der Wiener Professor Ibrahim Elmadfa gab einen Überblick.

Natürlich ging es darin um Fett und Cholesterin, um Vitamine, Calcium und Folsäure und vieles mehr. Scharen von Interviewern fragen die Leute, Wissenschaftler werten die Antworten aus.

Um die Zusatzstoffe machen sie einen großen Bogen.

Dabei wird immer deutlicher, dass sie die Hirntätigkeit beeinflussen können, bei Alzheimer, Parkinson, Hyperaktivität und Lernstörungen eine Rolle spielen, die Darmfunktionen beeinträchtigen, ja sogar die Geschlechtsfunktionen im Körper stören können.

Eigentlich müssten die EU-Mitgliedsstaaten schon seit 1995 den Verbrauch der Chemie-Zutaten überwachen. Das schreiben mehrere EU-Richtlinien vor. „Ziel“ sei „die Beobachtung des Verbrauchs an Zusatzstoffen“ sowie die „Sicherstellung“, dass die „duldbare tägliche Aufnahme“ nicht überschritten wird, so ein Bericht der EU-Kommission aus dem Jahre 2001.

Manche Länder machten sich an die Arbeit und fanden heraus, dass vor allem Kinder bei vielen Chemikalien, namentlich Farbstoffen, aber auch Konservierungsmitteln, bedenklich große Mengen zu sich nehmen - bis zum 12fachen des gesundheitlich Akzeptablen etwa bei sogenannten Sulfiten wie Natriumdisulfit oder Natriummetabisulfit ( E 223), das unter anderem in Pfanni Kartoffelpüree enthalten ist.

Die Bundesrepublik Deutschland dagegen sträubt sich bis heute hartnäckig, Erkenntnisse über den Chemieverzehr der Bevölkerung zu bekommen.

Auch die sogenannte Nationale Verzehrsstudie II, deren neueste Ergebnisse jetzt in Karlsruhe vorgestellt wurde, umging das Thema sorgsam. Die Studie beklagt unter anderem, so eine Pressemitteilung zum Kongress, über Probleme wie den „vergleichsweise hohen Verbrauch an Streichfetten“ in den östlichen Bundesländern. Und lobt: "Am sparsamsten gehen die Frauen aus Nordrhein-Westfalen mit den Streichfetten um (17 g/Tag)."

Sie beschäftigt sich auch liebevoll mit längst untergegangenen Küchenkulturen („Jede Region hat ihre eigene Suppenkultur“, „Klassische deutsche Suppen sind unter anderem Brotsuppe, Erbsensuppe, Kartoffelsuppe oder Linseneintopf“).

Brotsuppe: der Klasssiker damals im Krieg.

Vor der modernen Knorr-Hühnersuppe und der 5-Minuten-Terrine und ihren chemischen Zutaten verschließt die Studie aus dem Karlsruher Forschungsinstitut konsequent die Augen.

Dabei wissen auch die Mitarbeiter der Verzehrsstudie, dass es so etwas gibt. Sie klagen allerdings gegenüber DR. WATSON über die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Nahrungsindustrie und den verbreiteten Unwillen, die Chemikalien in den Rezepturen preiszugeben. Das Berliner Verbraucherministerium verwies zudem gegenüber DR. WATSON darauf, dass die Rezepturen häufig das „Betriebsgeheimnis“ der Hersteller seien.

Auch der Wiener Professor Elmadfa verwies in seinem Vortrag auf Lobbydruck aus der Industrie gegenüber der EU-Kommission.

Immerhin: Das kleine Österreich, berichtete Elmadfa nach seinem Vortrag gegenüber DR. WATSON, hat auch den Zusatzstoff-Verzehr untersucht. Im Januar nächsten Jahres sollen die Ergebnisse vorliegen.

In Deutschland hoffen die staatlichen Verzehrsforscher, dass die Industrie sich vielleicht bald ein bisschen kooperativer zeigt.
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